Der Wunsch nach einer drogenfreien Gesellschaft ist eine Utopie. Sucht ist eine Epidemie, eine Volkskrankheit. Die Palette der Suchterkrankungen ist vielfältig und unterschiedlich lebensbedrohlich. Alkohol, Amphetamin, Nikotin, alle Arten von Opiaten und Substanzen wie Cannabis sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Daneben sind auch Anerkennungs-, Selbst-, Geltungs- und Herrschaftssucht oder Internet- und Handysucht, Kaufsucht, Sport-, Sex- und Vergnügungssucht, neben Geld-, Streit- und Eifersucht, derartige Erkrankungen. Die zunehmende Arbeits- oder Karrieresucht, Sammel-, Putz-, Spiel- und Computersucht sind weitere, aktuellere Formen süchtigen Verhaltens, die Menschen existentiell gefährden können. Die Bibliotheksregale sind voll mit empirischen Erkenntnissen mit präventiven und therapeutischen Arbeiten, die das Thema ›Sucht‹ zum Gegenstand haben. Sie analysieren unter anderem, ob und inwieweit Suchtverhalten eine genetisch bedingte Entwicklung ist, die in unterschiedlichen Lebensstadien zum Ausbruch kommt, oder ob andere Einflussfaktoren diese Dynamik auslösen können. Ist deshalb ein erneuter Versuch, die Suchterkrankung zu beschreiben, überflüssig? Sicherlich nicht. Sucht ist nach wie vor ein weltweites Problem mit janusköpfigem Charakter. Gewinn bringt sie für solche, die Suchtmittel produzieren. Verlust erleiden Individuen, welche diese konsumieren. Die Kosten für die Wiederherstellung der Psychosomatik von Erkrankten trägt letztlich, über das Gesundheits- und Wirtschaftssystem, die Gemeinschaft. Das vorliegende Heft befasst sich mit Sucht und ihren Folgen. Die Beiträge umreißen Entstehungsgründe der Sucht, erläutern ihre Folgen, die Menschen in ihrer Psychosomatik derart beeinträchtigen, dass Normalität nur einem Wunschdenken entspricht. Die Hoffnung bleibt, dass dieses Heft nicht nur Forschenden, sondern auch interessierten Laien eine Handhabung sein möge, sich mit Sucht und ihren Folgen vertraut zu machen.
Hamid Reza Yousefi
Gutweiler, Dezember 2023
Prof. Dr. Hamid Reza Yousefi wurde 1967 in Teheran geboren und studierte Philosophie, Germanistik und Pädagogik an der Universität Trier, promovierte 2005 über den Toleranzbegriff im Denken Gustav Menschings und habilitierte sich 2010 mit der Studie Philosophie und Geschichte – Perspektiven für eine globale Philosophie. Seine Forschungsbereiche sind interkulturelle Philosophie, angewandte Religionswissenschaft und diskurshistorische Toleranzforschung. Insbesondere interessiert ihn Gustav Menschings Toleranzkonzeption. Er ist heute Privatdozent für Geschichte der Philosophie und Interkulturelle Philosophie an der Universität Koblenz. Zudem Initiator und Leiter des Instituts für zur Förderung der Interkulturalität in Trier sowie Initiator und Herausgeber der Schriftenreihen „Interkulturelle Bibliothek“, „Studien zur Weltgeschichte des Denkens“ und „Philosophische Perspektiven“, Forschungsschwerpunkte sind moderne Theorien des Religiösen, Ethik, Toleranz, Hermeneutik und Kommunikation.
Aktuelle Veröffentlichungen: Toleranz im Weltkontext (Hg., zusammen mit Harald Seubert), Wiesbaden 2013; Menschenrechte im Weltkontext (Hg.), Wiesbaden 2013 sowie Die Bühnen des Denkens: neue Horizonte des Philosophierens, Münster 2013.